Mehrere Richtlinien der Gemeinschaft zielen darauf ab, dass die Mitgliedstaaten namentlich in der Informationsgesellschaft den effektiven Schutz des geistigen Eigentums und insbesondere des Urheberrechts sicherstellen. Jedoch darf durch einen solchen Schutz nicht der Schutz personenbezogener Daten beeinträchtigt werden. Außerdem können die Mitgliedstaaten gemäß den Richtlinien über den Schutz persönlicher Daten Ausnahmen von der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit von Verkehrsdaten vorsehen.

Promusicae ist eine spanische Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, der Produzenten und Herausgeber von Musikaufnahmen und audiovisuellen Aufnahmen angehören. Sie rief die spanischen Gerichte an und beantragte, Telefónica die Offenlegung von Name und Anschrift bestimmter Personen aufzugeben, denen Telefónica einen Internetzugang gewährt und von denen Promusicae die sogenannte „IP-Adresse“ sowie der Tag und die Zeit der Verbindung bekannt sind. Nach Ansicht von Promusicae verwenden diese Personen das Programm KaZaA zum Austausch von Dateien („peer to peer“ oder „P2P“) und lassen den Zugriff auf Musikdateien zu, die sich im gemeinsam genutzten Ordner (Shared Folder) ihres Computers befinden und für die die Urheber- und Lizenzrechte bei den Mitgliedern von Promusicae liegen. Sie verlangte daher die Weitergabe der genannten Informationen, um zivilrechtliche Klagen gegen die Betroffenen erheben zu können.

Telefónica machte geltend, dass die Weitergabe der von Promusicae verlangten Daten nach spanischem Recht nur im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und zur nationalen Verteidigung erlaubt sei.

Das spanische Gericht fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ob das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten gebietet, im Hinblick auf den effektiven Schutz des Urheberrechts die Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen.

Der Gerichtshof führt aus, dass die nach den Richtlinien über den Schutz der persönlichen Daten zulässigen Ausnahmen auch die Maßnahmen umfassen, die für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig sind. Da die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation die von dieser Ausnahme erfassten Rechte und Freiheiten nicht benennt, ist sie dahin auszulegen, dass sie den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers zum Ausdruck bringt, weder das Eigentumsrecht noch Situationen von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen, in denen sich die Urheber im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens um diesen Schutz bemühen. Sie schließt also nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten aus, eine Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen. Aber die Mitgliedstaaten sind auch nicht gezwungen, eine solche Pflicht vorzusehen.

In Bezug auf die Richtlinien im Bereich des geistigen Eigentums stellt der Gerichtshof fest, dass auch sie den Mitgliedstaaten nicht gebieten, im Hinblick auf den effektiven Schutz des Urheberrechts die Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen.

Allerdings weist der Gerichtshof darauf hin, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen die Frage aufwirft, wie die Erfordernisse des Schutzes verschiedener Grundrechte, nämlich zum einen des Rechts auf Achtung des Privatlebens und zum anderen des Eigentumsrechts und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, miteinander in Einklang gebracht werden können.

Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die Mitgliedstaaten sich bei der Umsetzung der Richtlinien im Bereich des geistigen Eigentums und des Schutzes personenbezogener Daten auf eine Auslegung derselben stützen müssen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit diesen Richtlinien auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert.

Quelle: Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes vom 29.01.2008